Kraftschlüssige Ladungssicherung
Inhaltsverzeichnis
- Was ist kraftschlüssige Ladungssicherung?
- Physikalische Grundlagen der kraftschlüssigen Sicherung
- Das Niederzurrverfahren als Kernmethode
- Zurrmittel für kraftschlüssige Sicherung
- Antirutschmatten als Wirkungsverstärker
- Vorteile und Nachteile der kraftschlüssigen Sicherung
- Berechnungsbeispiel aus der Praxis
- Sicherheitshinweise und Best Practices
- Rechtliche Rahmenbedingungen
- Zusammenfassung
Die kraftschlüssige Ladungssicherung ist eine der wichtigsten Methoden im modernen Transportwesen, um Güter während des Transports sicher zu fixieren. Bei dieser Sicherungsmethode wird die Ladung durch erhöhte Reibungskräfte zwischen Transportgut und Ladefläche am Verrutschen gehindert. Im Gegensatz zur formschlüssigen Sicherung nutzt die kraftschlüssige Ladungssicherung die physikalischen Eigenschaften der Reibung und zusätzlich aufgebrachte Kräfte.
Was ist kraftschlüssige Ladungssicherung?
Kraftschlüssige Ladungssicherung bedeutet, dass eine freistehende Ladung auf einem Transporter nur durch eine einzige Krafteinwirkung gesichert wird, beispielsweise zwischen Ladung und Ladefläche oder zwischen einzelnen Gütern. Das Prinzip beruht darauf, dass die Reibungskräfte zwischen der Ladung und der Unterlage größer als die durch Transportbeanspruchungen wirkenden Kräfte gemacht werden.
Definition nach Fachstandards
Nach VDI 2700 und EN 12195-1 wird kraftschlüssige Ladungssicherung durch das Niederzurren gewährleistet. Dabei wird die Ladung mithilfe von Ladungssicherungsmitteln wie Zurrgurten, Zurrketten oder Drahtseilen kraftschlüssig auf der Ladefläche fixiert. Die entstehende Druckkraft wird als Vorspannkraft (STF) bezeichnet und erhöht die verfügbare Reibungskraft erheblich.
Physikalische Grundlagen der kraftschlüssigen Sicherung
Reibkraft und Normalkraft
Die Wirksamkeit der kraftschlüssigen Ladungssicherung basiert auf dem Zusammenspiel von Normalkraft und Reibbeiwert. Eine Ladung von 1.000 kg erzeugt eine Normalkraft von 10.000 N (1.000 kg × 9,81 m/s²). Bei einem Reibbeiwert µ von 0,3 zwischen Ladung und Ladefläche ergibt sich eine natürliche Reibkraft von 3.000 N.
Beschleunigungskräfte im Transport
Bei einer Vollbremsung mit 0,8 g wirkt auf eine 1.000 kg schwere Ladung eine Kraft von 8.000 N. Diese Kraft muss durch die verfügbare Reibung und zusätzliche Sicherungsmaßnahmen kompensiert werden. Die Berechnung erfolgt nach der Formel: F_S = m × g × a.
Das Niederzurrverfahren als Kernmethode
Funktionsweise des Niederzurrens
Beim Niederzurren wird die zu sichernde Ladung mit Zurrmitteln überspannt und auf die Ladefläche gedrückt. Um das Verrutschen zu verhindern, wird die Anpresskraft zwischen Ladegut und Ladefläche durch Vorspannkräfte erhöht. Die Vorspannkraft sollte dabei an allen Überspannungen gleich groß sein.
Berechnungsformel für freistehende Ladung
Die Anzahl der erforderlichen Zurrmittel berechnet sich nach der Formel:
n = (G × (C_x - µ × C_z)) / (k × µ × sin(α) × STF)
Dabei bedeuten:
- G = Gewichtskraft der Ladung
- C_x = Beschleunigungsbeiwert (0,8 bei Bremsvorgängen)
- µ = Gleitreibbeiwert
- k = Reibungsverlustbeiwert (typisch 1,5)
- α = Zurrwinkel
- STF = Vorspannkraft des Zurrmittels
Einfluss des Zurrwinkels
Der Zurrwinkel α zwischen Zurrmittel und Ladefläche hat erheblichen Einfluss auf die Wirksamkeit. Bei einem Zurrwinkel von 35° beträgt der Sinus 0,5735, wodurch nur 57% der Vorspannkraft wirksam werden. Ein Winkel von 90° sorgt für optimale Vorspannkraft, unter 83° muss der Zurrwinkel bei der Berechnung berücksichtigt werden.
Zurrmittel für kraftschlüssige Sicherung
Zurrgurte und ihre Eigenschaften
Zurrgurte bestehen aus textilem Gurtband mit einer Ratsche oder Gurtbandklemme. Sie eignen sich besonders für leichtere und mittelschwere Lasten. Die Maximum Securing Load (MSL) von Zurrgurten beträgt 50% der Bruchlast nach europäischen Normen. Bei einem Zurrgurt mit 5.000 daN Bruchlast liegt die MSL bei 2.500 daN.
Zurrketten für schwere Lasten
Zurrketten werden aus hochwertigem vergütetem Stahl gefertigt und bieten deutlich höhere Zurrkräfte als Gurte. Sie sind besonders für schwere oder unhandliche Güter geeignet, die während des Transports nicht verrutschen dürfen. Die Langlebigkeit und Robustheit machen sie zur idealen Wahl für anspruchsvolle Anwendungen.
Vorspannkräfte in der Praxis
Die Vorspannkraft, die über eine Druckratsche bei einem 50-mm-Zurrgurt aufgebracht wird, beträgt in den meisten Fällen etwa 300 daN. Diese sollte grundsätzlich mit einem Vorspannkraftmessgerät gemessen werden. Aus Sicherheitsgründen dürfen Zurrmittel nach VDI 2700 mit nicht mehr als 50% der maximalen Zurrkraft vorgespannt werden.
Antirutschmatten als Wirkungsverstärker
Bedeutung des Reibbeiwertes
Antirutschmatten spielen eine entscheidende Rolle bei der kraftschlüssigen Ladungssicherung, indem sie den Gleitreibbeiwert zwischen Ladung und Ladefläche erhöhen. Die VDI 2700 Blatt 14 schreibt vor, dass der Gleitreibbeiwert einen Mindestwert von µ = 0,4 nicht unterschreiten darf. Hochwertige Antirutschmatten erreichen Gleitreibwerte von bis zu µ = 0,65.
Praktischer Nutzen von Antirutschmatten
Ein Beispiel verdeutlicht die Wirksamkeit: Bei einer 3.000 kg Ladung ohne Antirutschmatten (µ = 0,2) werden 23 Zurrmittel benötigt. Mit Antirutschmatten (µ = 0,6) reduziert sich die Anzahl auf nur 3 Zurrmittel. Dies entspricht einer Kostenersparnis von über 80%.
Vorteile und Nachteile der kraftschlüssigen Sicherung
Vorteile der Methode
Die kraftschlüssige Ladungssicherung ist relativ einfach und schnell durchzuführen. Sie kann für eine Vielzahl von Ladungen angewendet werden und ist besonders flexibel bei unterschiedlichen Transportgütern. Die Methode eignet sich gut für Ladungen, die leicht zu bewegen sind oder bei denen eine zusätzliche Absicherung erforderlich ist.
Nachteile und Herausforderungen
Bei rutschigen Oberflächen oder feuchten Gütern kann die Reibungskraft nicht ausreichen, um die Ladung sicher zu fixieren. Es ist eine regelmäßige Kontrolle notwendig, da sich Zurrgurte während des Transports lockern können. Die Methode ist mit vielen zu beachtenden Randbedingungen behaftet und muss deshalb mit größter Vorsicht angewendet werden.
Berechnungsbeispiel aus der Praxis
Ausgangssituation
Eine freistehende Ladung von 1.000 kg soll gegen Verschub bei einer Vollbremsung mit 0,8 g gesichert werden. Die erforderliche Sicherungskraft beträgt: F_S = 1.000 kg × 9,81 m/s² × 0,8 = 8.000 N = 800 daN.
Ohne Antirutschmatten
Bei einem Reibbeiwert von µ = 0,3 und einer Vorspannkraft von 500 daN pro Zurrgurt ergibt sich:
- Reibkraft aus Ladungsgewicht: 1.000 daN × 0,3 = 300 daN
- Wirksame Vorspannkraft bei 35° Zurrwinkel: 500 daN × 1,5 × 0,5735 × 0,3 = 129 daN
- Benötigte Zurrmittel: (800 - 300) / 129 = 3,9 ≈ 4 Zurrgurte
Mit Antirutschmatten
Bei erhöhtem Reibbeiwert von µ = 0,6:
- Reibkraft aus Ladungsgewicht: 1.000 daN × 0,6 = 600 daN
- Wirksame Vorspannkraft: 500 daN × 1,5 × 0,5735 × 0,6 = 258 daN
- Gesamtsicherungskraft: 600 + 258 = 858 daN > 800 daN (ausreichend)
Sicherheitshinweise und Best Practices
Mindestanforderungen
Um ein Drehen und Springen der Ladung zu vermeiden, sind immer mindestens 2 Zurrmittel notwendig. Bei mehreren Anschlagpunkten ist auf einen ausreichenden Abstand zu achten. Ratschen oder Zurrmittel sollten auf wechselnden Seiten angeschlagen werden.
Qualitätskontrolle
Zurrmittel müssen für die erforderlichen Vorspannkräfte geeignet sein und ein vollständiges Kennzeichnungsetikett besitzen. Dieses muss Aussagen über Hersteller, Zurrkraft und den Sicherheitshinweis "Nicht Heben" enthalten. Beschädigte oder verschlissene Zurrmittel dürfen nicht verwendet werden.
Kombination mit anderen Methoden
Die kraftschlüssige Sicherung kann effektiv mit formschlüssigen Elementen kombiniert werden. Der Formschluss nach vorne durch Abstützung gegen eine stabile Bordwand kann auch mit Kanthölzern oder Paletten hergestellt werden. Niederzurren über die Bordwände ist nicht nur unsicher für die Ladung, sondern auch schädigend für das Fahrzeug.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Gesetzliche Grundlagen
Nach § 22 StVO ist der Verlader für die verkehrssichere Verstauung verantwortlich. Die Ladung muss so gesichert sein, dass sie selbst bei Vollbremsung oder plötzlicher Ausweichbewegung nicht verrutschen, umfallen oder herabfallen kann. Bei mangelhafter Ladungssicherung drohen Bußgelder und bei Unfällen Haftstrafen.
Technische Richtlinien
Die VDI-Richtlinie 2700 dient als Leitlinie für ausreichende Ladungssicherung. Sie behandelt das Befestigen von Ladung mit Hilfsmitteln sowie formschlüssige, kraftschlüssige und kombinierte Sicherungsmethoden. Die Norm DIN EN 12195 definiert die Berechnung von Zurrkräften für Ladungssicherungseinrichtungen auf Straßenfahrzeugen.
Zusammenfassung
Die kraftschlüssige Ladungssicherung ist eine bewährte und vielseitige Methode der Transportsicherung, die bei korrekter Anwendung hohe Sicherheit bietet. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der genauen Berechnung der erforderlichen Sicherungskräfte und der sachgerechten Anwendung der Zurrmittel. Die Kombination mit Antirutschmatten kann die Effizienz erheblich steigern und die Anzahl der benötigten Zurrmittel drastisch reduzieren.
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